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Familiennachzug: Kontingent nicht ausgeschöpft
3000 freie Plätze trotz langer Wartezeiten. Linke fordert Erleichterungen beim Familiennachzug
Die Situation von Angehörigen anerkannter Flüchtlinge, die per Familiennachzug nach Deutschland kommen wollen, ist unerträglich. Die Wartezeiten allein für einen Termin zur Visumbeantragung belaufen sich oft auf ein Jahr, die Anforderungen bei der Dokumentenbeschaffung sind kaum zu erfüllen und durch die langen Bearbeitungszeiträume zieht sich das Verfahren in die Länge. Dabei haben die Behörden im vergangenen Jahr erneut weniger Visa zum Familiennachzug bewilligt, als es das Kontingent vorsieht. Das ergibt sich aus Zahlen des Auswärtigen Amtes, die Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linkspartei, von der Bundesregierung erfragt hat und die »nd« vorliegen.
Nur knapp 20 000 Angehörige von Menschen mit Schutzstatus konnten im Jahr 2022 per Familiennachzug nach Deutschland kommen. Gut die Hälfte der bewilligten Anträge entfiel auf Angehörige von Personen, die den Flüchtlingsstatus erhalten haben. Knapp 9000 Angehörige von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland erhielten ein Visum zum Zweck des Familiennachzugs. Damit wurden wieder weniger Visa erteilt als im Rahmen des Kontingents möglich. Denn eigentlich gibt es für Angehörige von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland ein Kontingent von 12 000 Plätzen jährlich. Wie schon im Jahr 2021, in dem nur rund 6000 Visa vergeben wurden, wurde das Kontingent auch 2022 nicht vollständig ausgeschöpft. Subsidiärer Schutz wird erteilt, wenn im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, aber kein Flüchtlings- oder Asylstatus vergeben wird. Die Aufenthaltserlaubnis ist hier kürzer.
Für Menschen, die in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt sind, gibt es beim Familiennachzug keine Deckelung. Zwar sind die Zahlen von erteilten Visa für Angehörige von anerkannten Flüchtlingen im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. 2021 wurden hier 9900 Visa erteilt, im Jahr 2022 waren es 10 500. Aber die Zahlen liegen nach wie vor unter dem Niveau von vor der Pandemie. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 13 700 Visumanträge von Angehörigen anerkannter Flüchtlinge bewilligt.
Bünger erklärt: »Viele Flüchtlingsfamilien sind aufgrund von versperrten Fluchtrouten und langwierigen Asylverfahren über Jahre getrennt. Unerträglich lange Wartezeiten im Familiennachzugsverfahren kommen dann noch obendrauf. Oft hat dies zur Folge, dass Kinder jahrelang ohne ihre Eltern oder zumindest getrennt von einem Elternteil aufwachsen müssen. Das Menschenrecht auf Familienleben wird so immer wieder verletzt. Um diesen Missstand zu beenden, muss der Familiennachzug rechtlich und praktisch erleichtert werden.«
Die Regelungen zum Familiennachzug wurden in den letzten zehn Jahren immer wieder als politisches Instrument eingesetzt. 2015 wurde Menschen mit subsidiärem Schutzstatus dasselbe Recht auf Familiennachzug zugestanden wie Menschen, die den vollen Flüchtlingsschutz erhalten haben. Nur ein dreiviertel Jahr später wurde der Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus ausgesetzt. Parallel dazu änderte sich die Anerkennungsquote des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, das über die Asylanträge entscheidet. Während Menschen aus Syrien zuvor noch überwiegend der Flüchtlingsstatus zugesprochen wurde, bei dem die Möglichkeit auf Familiennachzug uneingeschränkt galt, bekamen sie ab 2016 zunehmend nur noch einen subsidiären Schutzstatus. Entsprechend konnten sie nach der Aussetzung des Familiennachzugs ihre Familien nicht mehr zu sich holen. Erst 2018 wurde dann die bis heute geltende Kontingentregelung eingeführt. Seitdem können monatlich 1000 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung für Angehörige mit subsidiärem Schutzstatus gewährt werden. Ein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung besteht aber nicht.
Organisationen wie Pro Asyl kritisieren diese Regelung. Sie fordern, dass Menschen mit subsidiärem Schutzstatus in Sachen Familiennachzug Geflüchteten gleichgestellt werden. Außerdem fordern sie, dass Visumanträge künftig auch digital eingereicht werden können. Bisher müssen die Anträge persönlich in einer deutschen Botschaft gestellt werden. Für die Antragsteller*innen bedeutet das eine teure und unter Umständen gefährliche Reise. Da die Botschaft in Kabul seit der Machtübernahme der Taliban geschlossen ist, müssen Afghan*innen aktuell zur deutschen Botschaft nach Islamabad in Pakistan oder nach Neu-Delhi in Indien reisen. Unzureichende Kapazitäten verhindern zudem eine zügige Terminvergabe und eine zeitnahe Bearbeitung der Anträge. In Islamabad etwa warten die Menschen über ein Jahr auf einen Termin, zahlreiche Dokumente sind oft nicht zu beschaffen.
Das Auswärtige Amt hat nun einen Aktionsplan Visabeschleunigung angekündigt. Die Digitalisierung im Antragsverfahren soll vorangetrieben und zusätzliches Personal eingesetzt werden. Clara Bünger begrüßt das, befürchtet aber zugleich, dass die Erleichterungen in erster Linie dem Anwerben von Fachkräften dienen sollen: »Dass das Auswärtige Amt einen Aktionsplan Visabeschleunigung auf den Weg bringt, klingt erst mal gut. Die damit verbundenen Erleichterungen müssen aber schnell umgesetzt werden – und sie dürfen nicht nur Fachkräften und ihren Familien zugutekommen.«
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